StartseiteVorwort Ottmar Hitzfeld

Das Spiel des Lebens in einem Leben, das dem Spiel, dem Fussball gewidmet ist? Und damit dem Erfolg, für den man als Spieler angestellt oder unter Vertrag ist – sei es bei einem Verein oder einem Verband! Das Spiel des Lebens muss für jeden Fussballer oder Trainer ein gewonnenes sein, ein höchst erfolgreiches, ein ruhmvolles gar. Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis dieses Buchs mit vielen spannenden, packenden Berichten, die gespickt sind mit Namen, Zahlen und Fakten aus der Geschichte des internationalen Fussballs, belegt diese These durchaus, selbst wenn einige der Protagonisten auch unvergessliche Spiele anführen, die mit historischen Niederlagen endeten. Noch heute werde ich häufiger auf die Niederlage mit dem FC Bayern München im Final der UEFA Champions League 1999 angesprochen. Wir hatten in Barcelona 1:0 geführt, Manchester United drückte immer stärker, glich in der 90. Minute aus und schoss in der Nachspielzeit den 2:1-Siegtreffer.

Zwei Jahre später gewannen wir den Final der UEFA Champions League gegen Valencia – nicht zuletzt, weil wir aus der Niederlage im Camp Nou die richtigen Lehren gezogen hatten. Wir hatten gewissermassen die Lehre des Lebens erhalten und diesen für mich als Trainer extrem wichtigen und wertvollen Erfolg geschafft. Denn für den FC Bayern München zählen nur die Erfolge, und am meisten die ganz grossen. Von den Emotionen her war der erste Sieg in der Königsklasse im europäischen Clubfussball, 1997 mit Dortmund gegen Juventus Turin in München errungen, nicht der Erfolg des Lebens für mich. Den Gewinn der ersten Deutschen Meisterschaft mit dem BVB stufe ich als höher, als wichtiger ein in meiner Laufbahn. Auch in diesem Zusammenhang hatten wir vorher eine schwere Enttäuschung verarbeiten müssen, als wir in meinem ersten Jahr bei Dortmund am letzten Spieltag noch abgefangen wurden und der VfB Stuttgart die Schale gewann.

Als Coach des Schweizer Nationalteams habe ich keine vergleichbare Auswahl an wegweisenden Spielen. Ganz zuoberst steht aber der 1:0-Sieg gegen Spanien in unserem Startspiel an der FIFA Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Die kleine Schweiz hatte gegen den grossen Favoriten gewonnen – und in der Heimat Erwartungen geschaffen, die derart überzogen waren, dass vielen hinterher der gesamte Turnierverlauf als Enttäuschung in Erinnerung blieb. Diese Sensation am wichtigsten Turnier des Fussballs wurde meines Erachtens in der Schweiz weniger gewürdigt als in anderen Ländern. Und wiederum hatte die damit verbundene Niederlage beim unterlegenen Team die Wirkung nicht verfehlt. Spanien gewann danach alle Spiele und wurde Weltmeister.

Als Spieler muss ich ebenfalls nicht lange nach meinem Spiel des Lebens suchen. Es ist mein erstes Spiel mit dem FC Basel, das ich von Beginn an bestreiten durfte. Und das mein Durchbruch war. Es war 1971. Es war in Genf. Und wir waren beim starken Servette unter Druck, weil wir zuvor im Heimspiel gegen Grenchen nicht überzeugt hatten. Der Trainer musste etwas ändern, setzte auf mich im Sturm und ich erzielte beide Basler Tore zum 2:0-Erfolg, das zweite mit einem frechen, aber geglückten diagonalen Hocheckschuss. Hätte ich nicht überzeugt, hätte Basel nicht gesiegt, wäre die Lancierung meiner Karriere in der obersten Schweizer Spielklasse wohl ins Stocken geraten. Mein Leben wäre möglicherweise ganz anders verlaufen. Eigentlich verrückt. Mein Leben für das Spiel Fussball wäre möglicherweise ganz anders verlaufen, hätte ich vor 40 Jahren nicht mein Spiel des Lebens gespielt.

Ottmar Hitzfeld (62) ist seit August 2008 Trainer der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft.